Über den Küstenweg

Auf der Iberischen Halbinsel gibt es mehr als ein Dutzend Jakobswege, die alle nach Santiago de Compostela führen. Davon ist der Französische Jakobsweg, in Spanisch ‚Camino Francés‘, der bekannteste und am meisten begangene Pilgerweg.

Der Küstenweg, in Spanisch ‚Camino de la Costa‘, beginnt in der spanischen Stadt Irun an der Grenze von Spanien und Frankreich. Von dort verläuft er mit wechselndem Abstand zum Meer an der Küste entlang nach Westen. Der Weg durchquert dabei die nordspanischen Regionen Baskenland, Kantabrien, Asturien und Galicien. Der Küstenweg ist 850 km lang; nur die letzten 200 Kilometern – von der Grenze zu Galicien nach Santiago de Compostela – verläuft er landeinwärts. Auf diesem Stück hat der Weg den Beinamen Nordweg, in Spanisch ‚Camino del Norte‘. Oft wird inzwischen der ganze Weg Camino del Norte genannt.

Auf dem Küstenweg bei Loredo

Der Ursprung des Küstenwegs reicht weit zurück ins Mittelalter, als ein beträchtlicher Teil der Iberischen Halbinsel von den Mauren besetzt war (die Besetzung dauerte fast 800 Jahre von 710 bis 1492). Der Küstenweg war lange Zeit die sicherste Route zum Apostelgrab (das wurde etwa im Jahr 820 entdeckt). Während der immer erfolgreicheren Rückeroberung, in Spanisch ‚Reconquista‘, verlor der Küstenweg allmählich an Bedeutung und verlagerte sich ins Landesinnere. Die Blütezeit des Camino Francés begann. Auch aufgrund seiner leichteren Begehbarkeit ist der Camino Francés auch heute noch die Hauptroute nach Santiago de Compostela.

Der Küstenweg ist landschaftlich sehr abwechslungsreich. Er führt immer wieder direkt am Meer entlang, entweder knapp über der Steilküste oder auch direkt auf dem Strand. Der Küstenweg-Pilger/die Küstenweg-Pilgerin wandert auch durch Wälder, über Berge, durch kleine Dörfer mit malerischen Fischereihäfen, durch moderne Badeorte und er/sie durchquert auch die bekannten Großstädte San Sebastian, Bilbao, Santander und Gijon. Er/sie kommt vorbei an  malerischen Flussmündungen, und durchquert einsame Buchten, weite Sandstränden und grüne Schafswiesen.

Auf dem Küstenweg bei Castropol

Aber, der Küstenweg verläuft auch auf asphaltierten Straßen und auf Wegen entlang von Nationalstraßen. Den historischen Jakobsweg sieht/betritt der Wanderer/die Wanderin nur noch an sehr wenigen Stellen. Auch in Kirchen und Klöstern am Wege ist der Bezug zum Jakobsweg nicht immer gleich erkennbar.

Ein kleines Stückchen Original-Jakobsweg bei Orio

Der Küstenweg ist wandertechnisch anspruchsvoller als der Camino Francés, besonders auf dem ersten Stück bis Bilbao. Das viele Auf und Ab verlangt dem Pilgerder/derPilgerin viel ab. Das Herbergsnetz ist nicht so dicht wie auf dem Camino Francés. Die Ausschilderung dieses Jakobswegs ist gut und zuverlässig; es weisen immer genug gelbe Pfeile nach Santiago de Compostela. Es gibt immer wieder Wegalternativen, aber die sind kein Grund sich verwirren zu lassen: Sie führen alle zum gleichen Ziel.

Etwas Spanisch zu können, ist auf dem Küstenweg sehr hilfreich. Besonders in den vielen kleinen Dörfern gibt es nur wenige Einheimische, die Englisch sprechen.. Die beste Zeit für den Küstenweg ist das Frühjahr oder der Herbst. 35 bis 40 Tage sollte man für den ganzen Weg einplanen.

In Arzúa (38 km vor Santiago de Compostela) trifft der Küstenweg auf den Camino Francés. Da auf diesem Weg bis zu 10 mal mehr Menschen unterwegs sind als auf dem Küstenweg, erleben die meisten Nordweg-Wanderer hier einen Kulturschock. Wer das nicht will, sollte sich weiter nördlich halten und eventuell aus Mangel an Pilgerherbergen ein oder zwei Mal in einer Pension oder einem Hotel übernachten. Klar ist, dass man damit den Kulturschock nur hinauszögert. Auch Santiago de Compostela ist eine sehr lebendige, lärmige Stadt und damit  nach vielen Tagen in der einsamen Natur recht gewöhnungsbedürftig.

Auf der ‘Pilger-Autobahn’ Camino Francés kurz hinter Arzúa. Das Foto habe ich am 1. Oktober aufgenommen, d.h. nicht in der Wanderhauptsaison.